Nachtexpress - Ruhr-Krimi by emons Verlag

Autor:emons Verlag [Verlag, emons]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 978-3-86358-008-7
Herausgeber: emons Verlag
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00

SECHS

Um sechs Uhr konnte ich schon wieder nicht mehr schlafen. Wälzte mich ruhelos im Bett hin und her, den Kopf angefüllt mit den jüngsten Erlebnissen. Hanno Helm paarte sich mit Theo, Sandra machte schnippische Bemerkungen, und Bellas Mutter beteuerte zum tausendsten Mal, dass es keinerlei Ärger in der Familie gegeben habe. Als mich auch noch Billbo durch seine vergrößernden Brillengläser anstierte, wusste ich, dass ich verloren hatte. Ich würde nicht wieder einschlafen, so viel stand fest.

Dann fiel es mir wieder ein. Das hatte ich ja komplett vergessen. Ich Idiot!

Ich warf die Bettdecke beiseite und schwang die Beine über die Bettkante. Dabei fegte ich Bonnie rüde beiseite, die es sich auf dem Deckbett gemütlich gemacht hatte. Mit einem erschreckten Gurren hopste sie auf den Boden.

»Tut mir leid, du Fellnase, aber mir ist gerade was Wichtiges eingefallen.« Ich kraulte flüchtig ihren getigerten Pelz, lief ins Wohnzimmer, griff im Vorbeigehen nach meinem Rucksack, der im Flur an der Garderobe hing, schaltete den PC ein und begann, in den Taschen des Rucksacks herumzukramen. Mit einem triumphierenden Schrei hielt ich schließlich den Stick in meinen Händen, auf dem ich die dbx-Datenbanken aus Outlook Express und etliche Dateien von Bellas PC gespeichert hatte.

Um mir Bellas Mails in Ruhe in meinem eigenen Mailsystem ansehen zu können, kopierte ich die Datenbanken in das entsprechende Verzeichnis auf meinem Rechner und öffnete mein Outlook.

Ich sortierte zunächst alles nach Datum, dann die gesendeten Objekte nach Empfänger und den Posteingang nach Absender. Eine Weile studierte ich konzentriert die Mails.

Im Posteingang Jungmädchenzeug, das meiste. Viele Fotos, mit dem Handy gemacht und per MMS verteilt. Bella hatte sie dann offensichtlich von ihrem Handy an ihre E-Mail-Adresse geschickt, vermutlich, weil der Speicherplatz auf dem Handy begrenzt war. Mehrere Fotos von Sandra und Gudrun, Mareike und Bella. Dann ein Junge, der aussah, als wäre er um die zwanzig. Er hatte den Arm um Sandra gelegt, die ihn von der Seite her anhimmelte. Ein anderes Foto zeigte die beiden in innigem Kuss. Das musste Sven sein.

Hier waren alle vier Mädchen zusammen auf einem Bild. Während die drei Grazien Kusshände warfen, blickte Bella ernst in die Kamera, eine Augenbraue leicht fragend in die Höhe gezogen. Sie sah ihrer Mutter wirklich verteufelt ähnlich.

Eine Reihe von Aufnahmen schienen in einer Disco gemacht worden zu sein. Nebulöse, unscharfe Gesichter, farbig angestrahlt. Jugendliche beim Tanzen. Dieses Mal schienen auch noch andere Jungs mit dabei zu sein.

Das letzte Foto zeigte Bella mit einem etwas älteren Jungen. Es war eine Großaufnahme, man sah nur die beiden Köpfe, die einander zugewandt waren, obwohl beide frontal in die Kamera blickten. Es sah so aus, als hätte der Junge Bella mit dem Arm an sich herangezogen.

Darüber stand: Bella, du guckst ja ganz verliebt. Da geht doch was … Küsschen, Sandra

Ich guckte mir das Foto genauer an. Sandra hatte recht. Bellas Blick war diffus, bei Weitem nicht so klar wie auf den anderen Aufnahmen. Verträumt irgendwie. Auch ihr Lächeln wirkte verträumt. Und ein wenig traurig.

In einem Unterordner, der mit »Rike« tituliert war, fand ich diverse Mails von Mareike. Was ich in diesem Ordner las, drehte mir den Magen um.

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